Von Janet Matsushita, Senior Vice President of Global Operations, Fuels and Lubricants, ExxonMobil. Übersetzt aus dem Englischen.

Im Jahr 2012, als Hurrikan Isaac uns heimsuchte, war ich als Raffinerie-Managerin in New Orleans tätig. Wegen des Hurrikans war die Energiezufuhr in unseren Häusern zwei Wochen lang unterbrochen. Das bedeutete nicht nur, dass Kindern weder Computer noch andere elektronische Geräte für Schularbeiten oder zum Spielen zur Verfügung standen, sondern auch, dass es weder Licht noch Strom zum Kochen oder für den Kühlschrank zur Aufbewahrung verderblicher Lebensmittel gab. Auch die Mobilität war eingeschränkt – lokale Raffinerien mussten schließen, sodass es an Kraftstoff für Autos und Busse fehlte. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, erinnere ich mich stets an einen Ökonomen aus dem 19. Jahrhundert, William Stanley Jevons, der einst sagte: „Ohne Energie werden wir in eine mühsame Armut früherer Zeiten zurückversetzt.“ Und genau so habe ich mich gefühlt.

Bis 2030 wird sich die Anzahl der Menschen in der globalen Mittelklasse im Vergleich zu 2015 nahezu verdoppeln. Da Energie für die Entwicklung des Menschen unerlässlich ist, steht die Gesellschaft vor einer doppelten Herausforderung: die Bereitstellung zuverlässiger und erschwinglicher Energie für die wachsende Bevölkerung bei gleichzeitiger Reduzierung der Umweltauswirkungen, einschließlich der Risiken des Klimawandels. Für eine solche Herausforderung gibt es jedoch keine Patentlösung. Stattdessen ist ein diversifiziertes Spektrum an Lösungen erforderlich. So wird beispielsweise ein Teil der Transportmittel mit der Zeit elektrifiziert. Für bestimmte Fahrzeuge wie Flugzeuge, Lkw und Schiffe kommt diese Option jedoch nur bedingt in Frage, da sie auf die Energiedichte flüssiger Kraftstoffe angewiesen sind. Als Managerin aller Raffinerien von ExxonMobil außerhalb der USA hat diese doppelte Herausforderung für mich stets oberste Priorität, und wir arbeiten intensiv in verschiedenen Bereichen, um durch Technologien und Innovationen unseren Teil beizutragen.

Lassen Sie mich zunächst erklären, was Raffinerien eigentlich sind. Anschließen werde ich mit ihrer Rolle für eine kohlenstoffarme Zukunft fortfahren.

Maschinen zur Umwandlung von Molekülen

Im Wesentlichen handelt es sich bei Raffinerien um „Maschinen zur Umwandlung von Molekülen“. Dank der Technologien in unseren Raffinerien können wir Kohlenwasserstoffe aus Rohöl oder Erdgas umwandeln und so praktisch nutzbar machen, zum Beispiel in Form kleinerer Benzinmoleküle für die Versorgung von Fahrzeugen mit Kraftstoff oder als Partikel, die zur Herstellung einer Reihe von alltäglichen Produkten wie Smartphones, Farben, Baumaterialien und unverzichtbaren medizinischen Produkten verwendet werden können. Raffinerien sind wichtig für die Energieerzeugung und vieles mehr, denn sie versorgen unsere Wirtschaft mit Treibstoff und ermöglichen so unser Leben.

Was genau ist also die Rolle unserer Raffinerien bei der Bewältigung der doppelten Herausforderung?

Umwandlung vielversprechender Innovationen in skalierbare Lösungen

Einer der Bereiche, in denen unsere Raffinerien entscheidend sind, ist die Produktion von kohlenstoffarmen flüssigen Kraftstoffen. Der von uns erforschte Biokraftstoff auf Algenbasis könnte potenziell in Dieselfahrzeugen verwendet werden, ohne, dass größere Änderungen an Motoren oder Infrastruktur vorgenommen werden müssen. Dies würde u. a. Störungen minimieren und die Kosten für die Umstellung gering halten. Natürlich ist noch Arbeit notwendig, um diese Technologie skalierbar zu machen. Biokraftstoffe sind jedoch ein vielversprechender Weg für emissionsarme kommerzielle Transportmöglichkeiten.

Eine weitere wichtige Technologie, an der wir arbeiten, ist die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Dabei wird CO₂ aus Industrieanlagen abgeschieden, bevor es die Atmosphäre erreicht, und unterirdisch gespeichert. ExxonMobil ist führend im Bereich CCS und scheidet etwa sieben Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr ab. Unsere Raffinerien nehmen eine Vorreiterrolle hinsichtlich dieser innovativen Technologien ein – beispielsweise mit einem Projekt im Hafen von Rotterdam.. Darüber hinaus arbeiten Raffinerien über Branchenverbände an verschiedenen Wegen, die es der Luftfahrt, dem Seeverkehr und dem Straßentransport ermöglichen, durch weitergehende Dekarbonisierung die Klimaziele Europas zu unterstützen. Dazu gehört beispielsweise die Clean Fuels For All-Strategie von FuelsEurope.

Die Raffinerie der Zukunft

Damit die europäische Raffineriebranche innovative Lösungen wie fortschrittliche Biokraftstoffe, CCS und andere branchenweite Ziele wie die Clean Fuels For All-Strategie bereitstellen kann, muss sie in der Lage sein, auf globaler Ebene wettbewerbsfähig zu bleiben. Branchen und Entscheidungsträger müssen zusammenarbeiten, nicht nur um das Risiko einer „Verlagerung von CO2-Emissionsquellen“ zu vermeiden, sondern auch, um die Innovationsdynamik durch einen technologieneutralen Ansatz zu erhalten. Dies ermöglicht der Gesellschaft die Suche nach der geeigneten Kombination von Lösungen, mit denen sich der weltweite Energiebedarf decken lässt und gleichzeitig Umweltauswirkungen kontrolliert werden.

Auch wenn COVID-19 kurzfristig das Leben entschleunigt und den Energieverbrauch reduziert hat, wächst die Bevölkerung weltweit. Der Bedarf an zuverlässiger und bezahlbarer Energie bleibt bestehen, und Raffinerien werden weiterhin eine wichtige Rolle bei der Deckung dieses Bedarfs spielen.

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