Energy Factor: Zuerst einmal vielen Dank für für Ihre Zeit. Können Sie zunächst erklären, was „kohlenstoffarme“ oder „emissionsarme“ Kraftstoffe sind?

Tim McMinn: Emissionsarmer Kraftstoff ist ein weit gefasster Begriff Im Allgemeinen umfasst er jede Art von Kraftstoff, der im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen – über den gesamten Lebenszyklus – weniger Emissionen erzeugt. So sind Biokraftstoffe eine Kraftstoffart, die kohlenstoffarm sein kann, da sie aus erneuerbaren Quellen wie Pflanzen, Abfallbiomasse und Algen stammen. Es gibt auch andere emissionsarme Kraftstoffe. Dazu gehören eFuels, bei denen es sich um synthetische Kraftstoffe aus Wasserstoff und abgeschiedenem Kohlendioxid handelt. Weitere Beispiele für emissionsarme Kraftstoffe sind verschiedene kohlenstoffarme Wasserstoffe, Elektrizität aus erneuerbaren Energieträgern und kohlenstoffarme fossile Brennstoffe flüssiger Natur.

EF: Wenn Sie das Gesamtbild der Emissionsreduzierung betrachten: Was macht Biokraftstoffe zu einer attraktiven Option?

TM: Biokraftstoffe können „Drop-in“-Kraftstoffe sein. Das bedeutet, dass sie in vorhandenen Motoren verwendet werden können, ohne dass diese vorher angepasst oder überholt werden müssen. Drop-in-Kraftstoffe sind entscheidend, um emissionsarme Kraftstoffe wirtschaftlich tragbar zu machen. Wenn wir also an die Rolle von Biokraftstoffen denken, sind sie sicherlich eine langfristige Lösung – insbesondere in Bereichen, in denen die Dekarbonisierung langsamer vorangeht, wie in der Luftfahrt, der Schifffahrt und bei Schwerlastfahrzeugen. Aber auch kurzfristig können sie eingesetzt werden. Durch die Vermischung mit anderen Kraftstoffen kann die CO2-Intensität der Flotte der leichten Nutzfahrzeuge schon heute reduziert werden. Wir betrachten dies als einen Übergang, der entscheidend sein wird, um die gesellschaftlichen Ziele zur Emissionsreduzierung in den nächsten Jahrzehnten zu erreichen.

EF: Sie haben bereits den Lebenszyklus erwähnt. Können Sie erklären, warum dieser wichtig ist?

TM: Wir betrachten den Lebenszyklus als eine „Well-to-Wheel“-Analyse. Man muss die Kraftstoffe vom Ursprung über die Verarbeitung bis hin zur Endnutzung betrachten, um die Auswirkungen ihrer Emissionen wirklich zu verstehen. Der Vorteil eines Biokraftstoffs besteht darin, dass die Pflanze den Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnimmt und dadurch wächst. Bei der Verbrennung des Kraftstoffs gelangt dieser Kohlenstoff ohne einen Nettoanstieg des atmosphärischen Kohlenstoffs wieder zurück in die Atmosphäre.  Natürlich entstehen bei der Produktion von Biokraftstoffen Emissionen, die in Lebenszyklus-Studien berücksichtigt werden. Ein Teil des Kohlenstoffs, der mit der Produktion von Biokraftstoffen einhergeht, kann jedoch auch gespeichert werden, um daraus netto-negative Kraftstoffe aus Kohlenstoff, Schmierstoffe oder sogar Wasserstoff zu erzeugen. Das nennen wir BECCS oder Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung. Wichtig ist, dass die positiven Auswirkungen auf die Umwelt im gesamten Lebenszyklus gemessen werden können, nicht nur am Benzintank, den Sie und ich am Ende der Kette füllen.

EF: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft für Biokraftstoffe aus?

TM: Aktuell zeichnen sich zwei Entwicklungen ab. Zum einen die schnelle Ausbreitung von Biokraftstoffen der ersten Generation, zum Beispiel aus Mais und Pflanzenölen. Wir sehen jedoch auch die Weiterentwicklung von Biokraftstoffen der zweiten Generation, also aus Ressourcen, bei denen es sich nicht um Futter- oder Nahrungspflanzen handelt. Dazu gehören Speiseölreste, tierische Fette, Holzabfälle aus der Forstwirtschaft und landwirtschaftliche Reststoffe, die sonst auf dem Feld zurückbleiben würden. Ich denke, wenn wir in den kommenden Jahren über Biokraftstoffe sprechen, wird es viel mehr darum gehen, solche Rohstoffe mit geringerer Kohlenstoffintensität zu verwenden. Und davon sind große Mengen verfügbar.Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) sind es über 20 Millionen Barrel Öläquivalent pro Tag – wenn die Entwicklung ihrer Lieferketten durch politische Anreize gefördert wird. Wir sind daher der Ansicht, dass kohlenstoffarme Biokraftstoffe in den kommenden Jahrzehnten eine große Rolle bei der Reduzierung der Emissionen spielen werden.

EF: Warum ist ExxonMobil ideal aufgestellt, um die Biokraftstofftechnologie zu beschleunigen?

TM: Wir sind seit mehr als einem Jahrzehnt auf dem Markt für Biokraftstoffe tätig. Daher kennen wir die Lieferketten und wissen, welche Leistung die Kraftstoffe liefern. Ebenso wichtig ist jedoch, dass wir über technologisches Know-how verfügen, das es uns ermöglicht, Innovationen zu entwickeln und uns direkt an verschiedenen Wertschöpfungsketten in der Biokraftstoffproduktion zu beteiligen.

EF: Wir haben bereits ausführlich über Biokraftstoffe gesprochen, aber gibt es noch andere relevante Technologien im Bereich der emissionsarmen Energielösungen, die Sie erwähnen möchten?

TM: Ja, Wasserstoff ist ein großartiges Beispiel. Wenn Wasserstoff verbrannt wird, entstehen am Verwendungsort keine Kohlenstoffemissionen. Wenn man also den gesamten Lebenszyklus betrachtet, hängt alles davon ab, wie der Wasserstoff hergestellt wird. Wenn man einen emissionsarmen Weg zur Erzeugung des Wasserstoffs nutzt, ist Wasserstoff ein emissionsarmer Kraftstoff. Ein gutes Beispiel für einen emissionsarmen Weg ist die konventionelle Wasserstoffproduktion mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, die oft als blauer Wasserstoff bezeichnet wird.

Viele dieser kohlenstoffarmen Lösungen – Biokraftstoffe und emissionsarme Kraftstoffe – führten zu wichtigen Partnerschaften mit Unternehmern, Universitäten und Regierungen auf der ganzen Welt. Es war ein Lernprozess für die gesamte Energiebranche, aber wir haben unsere Ressourcen und unser Know-how einsetzen können, um viele dieser Initiativen in die Realität umzusetzen. Und wir werden dies auch weiterhin tun.

EF: Welche Initiativen oder Partnerschaften für emissionsarme Kraftstoffe hat ExxonMobil geplant?

TM: Wir freuen uns auf unsere Arbeit mit vielen Initiativen. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise ein Projekt für erneuerbaren Diesel in der Strathcona-Raffinerie von Imperial Oil im kanadischen Edmonton angekündigt. Wir arbeiten mit einem norwegischen Unternehmen namens Biojet AS zusammen, um Biokraftstoffe aus Forstabfällen zu entwickeln. Und dann gibt es noch Global Clean Energy (GCE) in Kalifornien, die erneuerbaren Diesel aus einer neuartigen Leindotter-Nutzpflanze gewinnen. Außerdem arbeiten wir mit Porsche zusammen, um die nächste Generation von eFuels zu testen. Es entwickelt sich alles sehr dynamisch und ich bin gespannt, wie es weitergeht.

EF: Das ist großartig. Vielen Dank für Ihre Zeit.

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