Joe Blommaert, der in den Niederlanden aufgewachsen ist, hat aus erster Hand erfahren, was sich mit kreativem Denken und mutigen technischen Lösungen alles erreichen lässt. Er sah, wie Deiche und Kanäle das Land vor der Nordsee schützten – keine kleine Leistung, wenn man bedenkt, dass ein Drittel der Niederlande unter dem Meeresspiegel liegt. 

 „Ich liebe Technik“, so Blommaert. „Indem man Wissenschaft und unkonventionelles Denken miteinander kombiniert, lassen sich große Herausforderungen meistern.“ 

 Mit dieser Einstellung wagt sich Blommaert – als Präsident von Low Carbon Solutions bei ExxonMobil –  heute an ein weiteres großes Problem heran: Die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels durch den Einsatz von Technologien zur Abscheidung und sicheren Speicherung von Kohlendioxid/CO2-Emissionen. 

Im Zentrum dieser Bemühungen steht die Ausweitung der Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture and Storage, kurz: CSS) in zwei schwer zu dekarbonisierenden Branchen – der Fertigung in der Schwerindustrie und der Stromerzeugung. Zusammengenommen verursachen diese beiden Sektoren etwa 70 Prozent der weltweiten Emissionen. Die Abscheidung dieser Emissionen könnte einen großen Beitrag dazu leisten, die im Pariser Abkommen festgelegten weltweiten Klimaziele zu erreichen.

Da ExxonMobil weltweit mehr von Menschen verursachte CO2-Emissionen abscheiden konnte als jedes andere Unternehmen, ist es gut aufgestellt, um CCS-Lösungen zu entwickeln und im erforderlichen Maße bereitzustellen.

ExxonMobil forscht zudem gemeinsam mit externen Unternehmen an zahlreichen weiteren vielversprechenden Innovationen, darunter an Technologien zur direkten Abscheidung aus der Luft, mithilfe derer Emissionen aus der Luft gefiltert werden. Deweiteren an Carbonat-Brennstoffzellen zur Abscheidung von Emissionen aus Industrieanlagen, mithilfe derer sich die Abgase aus Kraftwerken oder Produktionsanlagen bereinigen lassen.

Das Ziel von Blommaert und seinem Team ist es, ein Portfolio dieser bahnbrechenden Dekarbonisierungstechnologien zu vermarkten und bereitzustellen, um so die Emissionen in der Industrie zu reduzieren. Dies erfordert sorgfältige Arbeit, den Einsatz komplexer Technologien in großem Umfang und die Zusammenarbeit innerhalb eines wachsenden Netzwerks verschiedener Akteure. Fortschritt wird hier in Monaten und Jahren und nicht in Tagen und Wochen gemessen.

Anfang diesen Jahres schlug Low Carbon Solutions auch eine Zusammenarbeit mit Regierungsbehörden, der Wissenschaft und der Industrie zur Entwicklung einer CCS-Initiative entlang des Houston Ship Channel vor.  Bei vollem Betrieb könnten gemäß dem Entwurf bis 2040 jährlich rund 100 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden und dauerhaft gespeichert werden.

Blommaert hat sich vor Kurzem etwas Zeit genommen, um über den Geschäftsbereich Low Carbon Solutions sowie die Bemühungen von ExxonMobil zur Senkung der Emissionen und zur Förderung der Dekarbonisierung zu sprechen.

Reduzierung der weltweiten Emissionen mit Low Carbon Solutions: Interview mit Joe Blommaert

Energy Factor (EF): Was unternimmt Ihr Unternehmen zur Reduzierung von Emissionen?

Joe Blommaert (JB): Einiges! Vor Kurzem haben wir den Geschäftsbereich Low Carbon Solutions gegründet, um in den nächsten vier Jahren drei Milliarden US-Dollar in emissionsarme Energielösungen zu investieren. Einer unserer Schwerpunkte besteht zunächst in der Ausweitung der Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff. Das ist ein ehrgeiziges Vorhaben, für das wir jedoch aufgrund unserer bisherigen Erfahrung in der Durchführung großer Projekte bestens geeignet sind. Dank unserer Ingenieure und Wissenschaftler können wir die vielversprechendsten Innovationen an die Erfordernisse unserer Geschäftsbereiche Upstream, Downstream und Chemicals anpassen und dort einsetzen. Low Carbon Solutions wird diese Expertise nutzen, um die vielversprechendsten CCS-Innovationen einsatzfähig zu machen.

EF: Kann die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff ihr volles Potenzial entfalten?

JB: CCS ist bereits Realität. ExxonMobil war das erste Unternehmen dem es gelang, mehr als 120 Millionen Tonnen CO2 abzuscheiden, was den jährlichen Emissionen von mehr als 25 Millionen Autos entspricht. Bis heute haben wir 40 Prozent aller von Menschen verursachten CO2-Emissionen abgeschieden. Wir nutzen unsere Expertise jetzt zur Entwicklung von Technologien zur Abscheidung von CO2 aus Erdgas-Abgasströmen, in denen CO2 in geringerer Konzentration enthalten ist, was den Abscheideprozess erheblich erschwert.

Auch was die Speicherung von Kohlenstoff betrifft, werden erhebliche Investitionen anfallen, unter anderem bei der Auswahl von Standorten, an denen CO2 in unterirdischen Lagerstätten sicher und dauerhaft gelagert werden kann. Dabei helfen uns unsere Ingenieure und Wissenschaftler mit ihrer Fachkenntnis und Kompetenz in den Bereichen Geologie und Lagerstättentechnik, um einige der aussichtsreichsten Standorte für die langfristige Speicherung von CO2 zu identifizieren und auszuwählen.

EF: Kann die Welt die Klimaziele, auch die des Pariser Abkommens, ohne CCS überhaupt erreichen?

JB: Die kurze Antwort lautet: Nein. Die Internationale Energieagentur hat erklärt, dass es „praktisch unmöglich“ sei, das Netto-Null-Emissionsziel ohne den Einsatz von CCS im großen Maßstab zu erfüllen. Tatsächlich wird die Nachfrage nach Energie und Produkten zu erschwinglichen Preisen weiter zunehmen, da die Bevölkerung wächst und sich die Lebensstandards für viele Menschen auf der ganzen Welt verbessern. Emissionsarme Alternativen wie Erdgas in Kombination mit CCS, Biokraftstoffen und Wasserstoff werden dazu beitragen, diese Nachfrage noch für einige Zeit abzudecken. Um die Welt aber mit Energie und Produkten zu erschwinglichen Preisen versorgen zu können, die sie ja benötigt, und gleichzeitig die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen, ist ein umfassender Ansatz erforderlich, der erneuerbare Energien, emissionsarme Biokraftstoffe und CCS vereint.

EF: Können Sie uns mehr über die CCS-Innovationszone in Houston erzählen?

JB: Die CCS-Innovationszone könnte einen echten Wendepunkt darstellen. Der Entwurf, der entlang des Houston Ship Channel umgesetzt werden soll, sieht in letzter Konsequenz vor, jährlich 100 Millionen Tonnen CO2 abzuscheiden und dauerhaft zu speichern. Das ist viermal mehr als das, was derzeit weltweit passiert. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Mit unserem Konzept kann so viel CO2 abgeschieden werden, als wäre der gesamte Bundesstaat Kalifornien mit Waldfläche bedeckt. Wir könnten CO2-Emissionen aus petrochemischen Anlagen, aus Fertigungsanlagen sowie aus Kraftwerken im und um den Houston Ship Channel herum abscheiden und sie dann in geologischen Formationen unter dem Golf von Mexiko sicher und dauerhaft speichern. Die CCS-Innovationszone verkörpert unsere Vision, skalierbare Lösungen zur Senkung der weltweiten Emissionen zu entwickeln. Sie ist ehrgeizig, transformativ und erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteure, unter anderem von Wissenschaft, Industrie und Behörden.

EF: Warum ist Houston der ideale Standort für die CCS-Innovationszone?

JB:  Standort, Standort, Standort. Der Houston Ship Channel ist einer der weltweit bedeutendsten Industriekorridore, in dem Emissionen aus mehreren Quellen in unmittelbarer Nähe zueinander ausgestoßen werden. Er befindet sich außerdem in der Nähe großer geologischer Formationen im Golf von Mexiko, die laut dem US-Energieministerium 500 Milliarden Tonnen CO2 aufnehmen könnten. Zum Vergleich: Das sind mehr als 130 Jahre aller Emissionen aus der Industrieproduktion und Stromerzeugung der USA, die dauerhaft tief unter dem Golf von Mexiko gespeichert werden könnten. So wie der sonnenverwöhnte Südwesten der USA sich bestens für die Erzeugung von Solarenergie eignet und der Mittlere Westen sich mit seinen Ebenen und starken Winden für Windenergie anbietet, sind die US-Golfküste und Houston der perfekte Ort für die Entwicklung eines CCS-Industriezentrums im großen Maßstab. Die CCS-Innovationszone könnte über Houston hinaus auch als Entwurf für die Entwicklung von CO2-Abscheidezentren in anderen Industriezonen der Welt dienen, z. B. in Asien und Europa.

EF: Welche anderen Technologien zur Reduzierung von Emissionen außer CCS werden von Low Carbon Solutions noch entwickelt?

JB: CSS ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Portfolios. Wasserstoff spielt auch eine wichtige Rolle. Durch die Entfernung von Kohlenstoff aus Methan, was wiederum den größten Bestandteil von Erdgas darstellt, entsteht Wasserstoff, mithilfe dessen man Strom erzeugen oder Autos und Lkw betanken könnte. Biokraftstoffe sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unseres Portfolios an kohlenstoffarmen Lösungen.

EF: Planen Sie bereits CCS-Projekte in Europa?

A: Mit der richtigen Politik könnte CCS Europa dabei helfen, seine ehrgeizigen Emissionsziele zu erreichen. ExxonMobil ist derzeit an vier Entwürfen für CCS-Zentren auf dem gesamten Kontinent beteiligt – in Belgien, den Niederlanden, Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Wenn sich diese Entwürfe als erfolgreich erweisen, ließen sich insgesamt jedes Jahr Millionen von Tonnen an CO2 abscheiden.

EF: Die letzte Frage: Was ist auf politischer Ebene erforderlich, um Anreize für Investitionen in CCS sowie für andere Technologien zur Emissionsminderung zu schaffen?

JB: Bei der Auswertung des Potenzials von CCS durch ExxonMobil zeigt sich, dass wir mit den aktuellen Technologien bahnbrechende Emissionsreduzierungen im großen Maßstab erzielen können. Wenn es um effektive politische Maßnahmen geht, fängt das für uns damit an, dass der Wert von Kohlenstoff verstanden werden muss, indem man einen Marktpreis dafür festlegt. Das würde die Klarheit und Stabilität schaffen, die es braucht, um Investitionen voranzubringen. Wir sind uns bewusst, dass keine Technologie allein die Gesellschaft in die Lage versetzen kann, ihre Ziele in Sachen Emissionsreduzierung zu erreichen. Daher müssen alle Technologien unterstützt werden, um ein anhaltendes globales Wachstum und verbesserte Lebensstandards zu ermöglichen und gleichzeitig den Klimawandel zu bewältigen. Stabile politische Unterstützungsmaßnahmen und aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen sind entscheidend, um die Entwicklung neuer Technologien und neuer Infrastruktur in dem Tempo und Umfang zu ermöglichen, die erforderlich sind, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erfüllen. Hierzu zählen langfristige Anreize, die sich über verschiedene Mechanismen schaffen lassen wie Zuschüsse, Steuergutschriften – dazu könnte auch die Ausweitung der Steuergutschrift 45Q in den USA zählen – oder zinsgünstige Darlehen. Darüber hinaus ist die nachhaltige und langfristige staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Wenn CSS jetzt politisch gefördert wird, dann könnte letzten Endes ein effektiver Markt geschaffen werden, über den sich Kosten senken und zusätzliche Investitionen in neue Technologien zur Kohlenstoffabscheidung, zur emissionsarmen Wasserstoffproduktion, zur direkten Abscheidung aus der Luft sowie in andere Lösungen anregen ließen.

Erfahren Sie mehr darüber, wie ExxonMobil Treibhausgasemissionen reduziert, sowie über unsere Pläne zur Senkung von Emissionen bis 2025.

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