Als Energieträger bietet wasserstoffbasierter Kraftstoff, der aus Erdgas oder durch Spaltung von Wassermolekülen gewonnen wird, ein enormes Potenzial zur Reduzierung von industriellen Emissionen, als Treibstoff für Nutzfahrzeuge sowie zur emissionsfreien Wärmeerzeugung für Wohnungen. Drake Hernandez hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) studiert und beschäftigt sich mit der Erforschung von Wasserstoff. Wir haben ihn zu dieser neuen Energietechnologie befragt.  

Hernandez arbeitet bei der MIT Energy Initiative – einer Forschungseinrichtung, zu deren Gründungsmitgliedern ExxonMobil gehört – an der Entwicklung eines Tools namens Sustainable Energy System Analysis Modeling Environment (SESAME). Das Tool kann die Nettoemissionen verschiedener Energielösungen und die Kosten für den Einsatz modernster Energietechnologien prognostizieren. Hernandez analysiert mit diesem Tool insbesondere die Wasserstoff-Wertschöpfungskette und die Regulierung in Bezug auf den sich weiterentwickelnden Wasserstoffmarkt. 

Hernandez war vor Kurzem federführend an der Planung und Durchführung der MIT Energy Conference beteiligt. Bei diesem dreitägigen virtuellen Event kamen über 800 Teilnehmer – von Studenten bis hin zu führenden Managern der Energiebranche – zusammen. Auf der Konferenz, an der auch hochrangige Experten aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung beteiligt waren – darunter der ehemalige Energieminister Ernst Moniz sowie die ehemalige US-Senatorin von North Dakota Heidi Heitkamp – wurden Fortschritte und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Energiewende untersucht. Vijay Swarup, Vice President of ExxonMobil R&D war ebenfalls an einem der Expertenforen beteiligt. 

Hernandez hat sich Zeit genommen, um über seine Ansichten zur Wasserstofftechnologie zu teilen und zu erörtern, welche Rolle diese zukünftig in einem alternativen Energiemix  und der Reduzierung von Emissionen spielen könnte: 

Energy Factor (EF):Vielen Dank, Herr Hernandez, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen. 

Drake Hernandez (DH): Sehr gerne. Vielen Dank für die Einladung. 

 EF:Woher rührt Ihr Interesse an der Energiebranche? 

DH: Ich bin in einer kleinen Stadt namens Groves in Texas aufgewachsen, unweit von der ExxonMobil-Raffinerie in Beaumont. Ich habe 18 Jahre dort inmitten der Lichter der Raffinerien und der Chemiewerke verbracht. Schließlich bin ich an der University of Texas in Austin (UT) gelandet, die auch „Energieuniversität“ genannt wird. Das Thema „Energie“ war dort omnipräsent, sodass ich mich einfach damit beschäftigen musste. 

 Ich bin College-Student der ersten Generation, d.h. ich hatte als erster in unserer Familie die Möglichkeit ein College zu besuchen. Nach dem Highschool-Abschluss wollte ich die Welt außerhalb meiner Heimatstadt kennenlernen. Ich hatte das Glück, ein Stipendium für die UT zu erhalten und bin so nach Austin gekommen. Aber von dort sollte es für mich noch weitergehen. Von Austin bin ich nach Boston gewechselt,um dort für ein paar Jahre als Berater in der Energiebranche  zu arbeiten. Weiter ging es Richtung Norden nach Cambridge – ans andere Flussufer, wenn man so will. 

 Letzten Endes hat Energie für alles Relevanz und ich habe mir gedacht, dass es der Bereich ist, in dem ich am meisten erreichen kann. Als Ingenieur war mein Traum zunächst, meinen Lebensunterhalt mit der Entwicklung von Golfschlägern zu bestreiten. Aber ich habe schnell erkannt, dass ich mich stärker für andere Menschen und die Gesellschaft engagieren wollte. 

 EF:Die Energiebranche befindet sich derzeit in einer Übergangsphase. Sehen Sie als junger Ingenieur Möglichkeiten, mehr Energie mit weniger Emissionen bereitzustellen? 

 DH: Ich bin Absolvent des MIT und arbeite jetzt bei der MIT Energy Initiative (MITEI). Das bedeutet, dass ich tendenziell optimistisch bin, was neue Technologien betrifft. 

Mit Ihrer Frage haben SIeden Nagel auf den Kopf getroffen: Wir benötigen mehr Energie und müssen gleichzeitig Emissionen reduzieren. Entscheidend für die Erreichung dieses Ziels ist die Begleitung des technologischen Fortschritts durch eine geeignete politische Strategie und überlegtes Handeln mit Blick auf Regulierungsmaßnahmen.  

EF:Können Sie uns etwas über das Tool zur Lebenszyklusbewertung erzählen, mit dem Sie arbeiten? Was macht dieses Tool so bedeutend für heutige Entscheidungsträger? 

 DH: Sehr gerne. Das Tool, auf das Sie sich beziehen, nennt sich Sustainable Energy System Analysis Modeling Environment – kurz SESAME. Es wurde entwickelt, um die mit verschiedenen Energiepfaden verbundenen Lebenszyklusemissionen zu analysieren. Derzeit wird SESAME erweitert, um die mit jedem dieser Pfade verbundenen Kosten zu bewerten. 

Zum einen lassen sich mit SESAME Emissionsreduzierungen modellieren, die mit dem Einsatz bestimmter Technologien verbunden sind. Zum Beispiel könnten Sie sich folgendes überlegen: „Ich habe vor in neue Energietechnologien zu investieren. Was bedeutet das eigentlich mit Blick auf CO2-Emissionen?“  In einem solchen Szenario können Sie vergleichen, wie sich die Kohlenstoffintensität unterscheidet, je nachdem ob eine Kilowattstunde Strom aus Windkraft oder aus Erdgas erzeugt wird. Heutzutage spielt ein solches Tool insbesondere für politische Entscheidungsträger oder Investoren, die genauere Informationen darüber benötigen, wie sie ihre Umwelt- oder Nachhaltigkeitsziele erreichen können, eine entscheidende Rolle. 

Ein weiterer Aspekt von SESAME ist die Kostenanalyse. Damit werden nicht nur die prognostizierten Kohlendioxidemissionen, die mit einem bestimmten Energiesystem verbunden sind, analysiert, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen. Dies wird von entscheidender Bedeutung sein. Gemeinsam mit den tatsächlichen CO2-Emissionsdaten ergeben die durch das Tool ermöglichten ökonomischen Analysen ein sehr leistungsfähiges RahmenwerkWir hoffen, dass es weltweit verwendet werden wird, um Emissionen aus Energiesystemen zu vermeiden. 

EF:Und woher rührt Ihr spezifisches Interesse an Wasserstoff? 

 DH: Im Bereich Energie gibt es zahlreiche Anwendungen für Wasserstoff. Er kann dazu beitragen, Emissionen in einer Vielzahl von Branchen unserer Volkswirtschaften zu reduzieren. Dabei sollte man jedoch beachten, dass die Wasserstoffproduktion heute nicht unbedingt sauber ist. Weniger kohlenstoffintensive Technologien zur Produktion von Wasserstoff – wie zum Beispiel die Aufspaltung von Wassermolekülen in reinen Wasserstoff und Sauerstoff mit Elektrolyseuren oder die Kopplung von Kohlenstoffabscheidung und Dampfmethanreformer-Anlagen – sind entscheidend und alle diese verschiedenen Technologien müssen ineinandergreifen, um eine echte Energiewende herbeizuführen. 

Die Entwicklung eines Marktes für Wasserstoff könnte auch die neuen Geschäftsmodelle vorantreiben. Persönlich glaube ich, dass dies zu Kostensenkungen führen wird. Und wenn Wasserstoff günstiger wird, erhöht sich die Wirtschaftlichkeit für eine Reihe von Endanwendungen. 

 EF:Was sollte die Öffentlichkeit Ihrer Meinung nach über Wasserstoff als Energiequelle wissen? 

 DH: Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Wasserstoff kein Allheilmittel ist. Vor allem im letzten Jahr gab es einen großen Hype um Wasserstoff, sodass der Eindruck entstanden ist, dass sich damit alle Probleme lösen lassen. So lässt sich das allerdings nicht sagen. Wasserstoff sollte strategisch eingesetzt werden, da es sich um eine wertvolle Ressource handelt. 

Definitiv wird es Anwendungen geben, bei denen sich Wasserstoff als beste und kostengünstigste Möglichkeit zur Reduzierung von Emissionen und als ideale Technologie für einen bestimmten Verwendungszweck erweist. Das wird jedoch nicht immer und überall der Fall sein. 

 EF:Können Sie dennoch sagen, wie lange es noch dauern wird, bis Wasserstoff auf dem Energiemarkt eine relevante Rolle spielen wird? 

DH: Ein klassischer Ökonom würde sagen: „Es kommt darauf an.“ Einer meiner Forschungsschwerpunkte betrifft Fragen der Regulierung, die als Voraussetzung für die landesweite Planung und den Bau von Wasserstoffpipelines im großen Maßstab in den USA gelöst werden müssen. 

In der Golfküstenregion wurden einige Wasserstoffpipelines errichtet, die zwischen Raffinerien und Chemiewerken verlaufen. Wenn diese Pipeline-Infrastruktur großräumig erweitert wird, kann man realistischer Weise davon ausgehen, dass die Kosten für Wasserstoff erheblich sinken werden. Ich denke daher, dass die Regulierung der Schlüssel für die Entwicklung des Marktes ist. 

EF:Mit „Regulierung“ meinen Sie staatliche Unterstützung für den Ausbau einer geeigneten Infrastruktur? 

DH: Genau. Für den Bau von Erdgaspipelines in den USA, gibt es einen klar definierten Prozess zur Entwicklung der Infrastruktur sowie ein regulatorisches Rahmenwerk. Für die Wasserstoffinfrastruktur gibt es bisher keinen solchen Prozess, da die Technologie neu ist und es sich um einen völlig anderen Energieträger handelt. In meiner Masterarbeit geht es im Wesentlichen um dieses Thema. Insbesondere beurteile ich unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen, mit denen die Bundesregierung Investitionen in eine bundesstaatenübergreifende Infrastruktur zum Transport von Wasserstoff stimulieren könnte. 

EF:Erlauben Sie uns zum Schluss die Frage, wo Sie sich mit Blick auf Ihre bisherige Tätigkeit und die dabei gemachten Erfahrungen in zehn Jahren beruflich sehen? 

 DH: Ich möchte einfach etwas bewirken. Wir durchlaufen aktuell eine kritische Phase. Bis zum Jahr 2050 werden sehr hohe Investitionen notwendig sein, um die Energiewende zu bewerkstelligen. Aktuell versuche ich alles dafür zu tun, um meinen Beitrag zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes zu leisten. Es für mich dabei unerheblich, ob ich dazu bei einem Unternehmen der Energiebranche an entsprechenden Strategien mitwirke oder bei staatlichen Stellen die Entwicklung und Gestaltung von Märkten für elektrischen Strom oder Wasserstoff vortreibe. 

 EF:Das klingt nach jeder Menge spannender und wichtiger Herausforderungen. Vielen Dank. 

 Erfahren Sie mehr über erneuerbare Energien sowie darüber, wie sich ExxonMobil für eine Zukunft mit weniger Emissionen einsetzt. 

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